Allgemeine, statistische und geschichtliche Informationen über Fichtenhainichen
Fichtenhainichen zu Herzogs Zeiten
Fichtenhainichen war Anfang des 19. Jahrhunderts ein kleines Bauerndorf, idyllisch mitten im Wald gelegen. In der Kirchengalerie des Herzogtums 1840-1849 steht geschrieben: „Fichtenhainichen, 1 ¼ Stunde nördlich von Altenburg, rechts ab von der nach Zeitz führenden Chaussee.“ Die Chaussee (heute Altenburger Straße) wurde im Jahr 1842 erbaut und war bis zum Jahr 1888 eine gebührenpflichtige Straße. Ein zweispanniges Pferdefuhrwerk zahlte für 4 sächsische Postmeilen (1 Postmeile entspricht 7500 Metern) 18 Groschen, so genanntes Chausseegeld.
Eine der so genannten Chaussee-Gelderhebestellen befand sich im Gasthaus Tieg im benachbarten Rositz. Im Jahr 1331 erstmals erwähnt, hieß der Ort einfach noch Heynichen. Erst 1501 erhielt er die genaue Bezeichnung Fichtenhainichen zur Unterscheidung zum nahen Schnauderhainichen.
Heimatforscher gehen davon aus, dass Fichtenhainichen bedeutend älter ist als seine urkundliche Ersterwähnung. Bereits zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde der Ort auf Schelditzer Gemarkung von sächsischen Bauern gegründet. In dem ehemals das Dorf umschließenden Wald fand man acht vorgeschichtliche Hügelgräber mit Bestattungen aus der Jungsteinzeit. 1583 lebten die 75 Einwohner in vier Bauerngütern, vier Häusern und einem Hirtenhaus. Im folgenden Jahrhundert kam noch das Gemeindehaus (heute Fichtenhainicher Straße Nr. 16) hinzu. Jenes kaufte der Gutsbesitzer Michael Köhler 1864 und richtete die erste Dorfschenke ein. Im Bauerndorf Fichtenhainichen war das Handwerk sehr rar gesät.
So übten nur der Hufschmied Robert Nündel (heute Fichtenhainicher Straße Nr. 25), der Stellmacher Reinhold Peitsch (ehem. Fichtenhainicher Straße Nr. 7), der Tischler Julius Köhler (heute Fichten-
hainicher Straße Nr. 10) und der Schneidermeister Friedrich Große (Molbitzer Straße Nr. 1, Abriss 1997) ihr Gewerbe aus. Franz Brzenskott eröffnete die erste Kolonial- und Materialwarenhandlung in der Molbitzer Straße Nr. 3 (Abriss 1999).
Der Teil des Ortes, der sich entlang der Zeitzer Chaussee zog, wurde als Neufichtenhainichen bezeichnet. Die Häuser in diesem Ortsteil entstanden größtenteils erst nach der Jahrhundertwende. Nach dem 1. Weltkrieg öffneten in Neufichtenhainichen zahlreiche Geschäfte, unter anderem die Kammfabrik Kermeß (heute Querstraße Nr. 3), die gleichnamige Fleischerei (heute Querstraße Nr. 6), die Bäckerei Ernst Funk, später Albert Planerer (heute Querstraße Nr. 9), die Gastwirtschaft und der Kolonialwarenhandel von Ambrosius Sprungala (heute Altenburger Straße Nr. 32), in der sich seit der Jahrhundertwende das Geschäft von Johann Kosalka befand. In Altfichtenhainichen blieb indessen alles beim Alten, nur die Namen der Besitzer änderten sich mit den Jahren. Auch die Einwohnerzahl entwickelte sich im Verhältnis zu den Nachbarorten nur sehr schleppend. Beispielsweise hatte der Ort im Jahr 1842 142 Einwohner und im Jahr 1885 250 Einwohner.
Dass sich Fichtenhainichen mit seiner günstigen Lage zur Zeitzer Chaussee nicht so entwickeln konnte, lag wohl auch mit an seinen wertvollen und umfangreichen Vorkommen an Bodenschätzen. Noch heute kündet das narbige Gelände rings um den Ortskern von reger Abbautätigkeit. In und um Fichtenhainichen wurden mehrere Sand- und Kiesgruben erschlossen. Von größerer Bedeutung aber waren die reichen Braunkohlenvorkommen. Die Stärke des Kohlenlagers betrug hier 38 Ellen
(1 Elle = 0,57 m). Ein stärkeres Flöz war im ganzen Meuselwitzer-Rositzer Revier nicht zu finden. Über ein Dutzend Gruben verteilten sich auf Fichtenhainicher Flur und ließen folglich dem Ortskern keinerlei Entfaltungsmöglichkeit. Bereits 1675 enthielt das Rositzer Sterberegister einen ersten Hinweis auf den Abbau von Kohle.
Dazu heißt es: „Am 24. 8. 1675 ist ein Bergmann im Bergwerk zu Fichtenhainichen ein solcher Geruch wie Schwefel angefallen, dass er von der Leiter heruntergefallen und tot bleiben, seine Mitkonsorten sind alle davon gegangen.“ Zu den bekanntesten Gruben zählten die „Vorwärts“ und die „Neue Sorge“. Den Anfang aber machten die Aktiengesellschaft „Louisengrube“ und die „Karolinengrube“. Aus der „Louise“ wurde bereits im Jahr 1865 Braunkohle gefördert. Mit einer Belegschaft von 13 Mann wurden allein im Jahr 1871 167.000 Ztr. Rohkohle aus der Erde gebracht. Im Jahr 1910 wurde die Grube stillgelegt.
Der Arbeiter-Turnklub Rositz erwarb 1919 den Platz der Louisengrube und errichtete nach umfangreichen Planierarbeiten im Jahr 1921 einen Turnplatz. (Standort heute Sportplatz Fichtenhainichen). Dieser, wie auch der im Jahr 1926 von Notstandsarbeitern errichtete erste Sportplatz des Ortes (Standort heute Birkenwäldchen), hatten jedoch nicht lange Bestand, so fielen beide schon nach kurzer Zeit dem Bergbau zum Opfer. Die „Vorwärtsgrube“ (heute Fichtenhainicher Straße 38) zählte schon in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts zu den modernsten im Revier. Hier konnte man mit einer maschinellen Wasserhaltung und Förderung aufwarten, während in den anderen Gruben noch Handbetrieb herrschte.
Zudem hatte die „Vorwärtsgrube“ ihre eigene Bahn-Verlade-Station, mit der sie durch eine Drahtseilbahn verbunden war. 1909 wurde die seit den 80er Jahren bestehende Nasspresssteinfabrik in eine moderne Brikettfabrik umgebaut. Bei der veralteten Herstellung von so genannten Nasspresssteinen wurde die Braunkohle noch im feuchten Zustand gepresst und auf Lattenrosten getrocknet. Acht Jahre später ging die „Vorwärts“ in den Besitz der Rositzer Braunkohlenwerke AG über, bis sie 1923 stillgelegt wurde. Im Jahr 1926 wurde der 56 Meter hohe Schornstein der Brikettfabrik umgelegt.
Neben der Braunkohle entdeckte man auch beachtliche Tonfunde am linken Talrand des Erlenbaches. Zur Nutzung dieser Tonvorkommen gründete Wilhelm Plütsch im Jahr 1874 die Schamottefabrik. Nach seinem Ableben im Jahr 1888 wurde sie von seinen drei Söhnen unter dem Namen „Gebrüder Plütsch“ weitergeführt und erlangte weit über die Grenzen des Herzogtums Sachsen-Altenburg hinaus große Bedeutung. Hergestellt wurden bei „Plitschens“ Schamottesteine für die verschiedensten Arten von Öfen, unter anderem für Back- und Konditoröfen, aber auch für einfache Zimmeröfen. In Werbeblättern wurden als Spezialität die sechseckigen Steinzeugrohre als Flaschenlager für Glas- und Steinzeugflaschen angepriesen, worüber auch in der Gemeinderundschau September/2000/Seite 16 berichtet wurde.
Das Jahr 1916 war von größter Bedeutung für die Gemeinde sowie für das gesamte Meuselwitzer-Rositzer Braunkohlenrevier. Der Großkonzern Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft (DEA) übernahm die Aktienmehrheit der maroden Rositzer Braunkohlenwerke Aktiengesellschaft. In den Jahren 1916 bis 1918 errichtete die Deutsche Erdöl AG auf Fichtenhainicher Flur ein riesiges Mineralölwerk. Bereits im November 1917 wurde mit der Produktion begonnen. In der ersten deutschen Teer-Raffinerie ihrer Art wurde aus Braunkohle überwiegend Heiz- und Treiböl für die deutsche Kriegsmarine gewonnen. Schon in den Anfangsjahren brachte die „DEA“ mehreren hundert Arbeitern aus dem gesamten Herzogtum Lohn und Brot. Ständig erfolgten umfangreiche Erweiterungs- und Neubauten.
Immer mehr Grundstücke wurden zugekauft, um eine größere Anzahl von Wohnhäusern für Beamte und Arbeiter zu errichten. Im Jahr 1917 erbaute man auch das Rositzer Wahrzeichen, den Wasserturm der Teerraffinerie Fichtenhainichen. Der Konzern war bestrebt, auch die Braunkohlenwerke weiter auszubauen, um so die Brikettversorgung der „DEA“ sicherzustellen. Daher erfolgten neben der schon erwähnten Angliederung der „Vorwärtsgrube“ die der Meuselwitzer Braunkohlen- und Brikettwerke AG und im August 1922 die Inbetriebnahme der Grube „Neue Sorge“ durch die „DEA“.